« Kopftuch und sichtbare religiöse oder weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz | Home | Einigungsstelle auf der Autobahn »
Zielführende Dialoge bei Gericht
Von Wolf Reuter | 7.November 2012
Ein Darlehen wurde gewährt, in einem längst verflossenen Arbeitsverhältnis. Der schriftliche Vertrag sah eine Rückzahlung bis 31.12.2011 vor. Geld kam keines, irgendwann 2012 hat man von fruchtlosen e-mails genug und klagte. Der Klage liegt der Darlehensvertrag bei, außerdem der Auszahlungsbeleg. Die kürzeste Klage des Jahres.
Vor der Güte
Beklagtenschriftsatz (anwaltlich):
….bitte ich um Verlegung in pp., da mein Mandant sich beruflich in Asien aufhält und schwer zu erreichen ist…“
Gericht:
In pp. wird Verlegung abgelehnt, der Mandat ist gar nicht geladen. Er kann sich anwaltlich vertreten lassen.
Beklagtenschriftsatz (anwaltlich):
…in pp. wird vorsorglich bestritten, dass der Beklagte das Geld je erhalten hat…
Gericht:
…in pp. wird auf Anlage K 2 zur Klageschrift hingewiesen. Soll das Bestreiten aufrechterhalten werden?
Beklagtenschriftsatz (anwaltlich):
…reichen wir anliegend die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten ein und bitten um PKH….
(Anm.: Das war’s dann mit der Rückzahlung)
In der Güte
Richter zu Beklagtenanwalt:
Das mit dem Bestreiten. Wollen Sie das ernsthaft aufrechterhalten?
Beklagtenanwalt:
Konnte ich noch nicht besprechen.
Gericht:
Seit Zustellung der Klageschrift sind drei Wochen vergangen, die Frage ist doch denkbar einfach zu beantworten.
Beklagtenanwalt:
Mein Mandat ist als Consultant in Asien unterwegs und kaum erreichbar…
Kläger (Geschäftsführer) geht dazwischen:
…wenn ich sein Handy anrufe, geht er immer ran, es kommt nur nichts raus…
Gericht:
Aber auch in Asien kann man e-mails lesen, glaube ich, oder?
Beklagtenanwalt:
Er hatte mir gesagt, sein Laptop sei kaputt
Ich:
Das hat ihn vorgestern nicht abgehalten, mir eine Mail voller Beschimpfungen zu schicken.
Schweigen.
Beklagtenanwalt:
Muss ich klären…wie gesagt…
Gericht:
Ja, Asien. Kann nicht sehr einträglich sein. In den PKH-Unterlagen steht auch gar nichts von „Consultant“…
Beklagtenanwalt:
Er ist in einer beruflich sehr herausgeforderten Situation…
Gericht:
Schön. Dann fordern Sie ihn mal zur Stellungnahme bezüglich des Erhalts auf. Ich setze den Kammertermin in zwei Wochen fest. Wenn nix kommt, gibt es ein Urteil. Einverstanden?
Alle nicken.
Nach der Güte auf dem Gang
Hörbares Ausschnaufen des Beklagtenanwalts. Griff zum Handy. Er spricht sofort ins Smartphone:
Herr B. [Name des Bekl.]!!! – Was ist denn das für eine Sch…
Die Schritte verlieren sich den Gang hinab. Das Gespräch wird zu einem Murmeln.
Wir warten mal. Auf die Kammer.
Übrigens: Rainer Göhle findet Güteverhandlungen manchmal auch – herausfordernd (auf seinem Blog rechtbrechung [rg]). Aber unterhaltsam können sie sein…
Verwandte Artikel
Topics: Alltag im Arbeitsrecht | 5 Kommentare »
7.November 2012 at 5:35 pm
was mich ja echt schockt sind 2 Wochen bis zum Kammertermin. Was ist das denn für eine Hektik? Vorschlag: vielleicht baut mal die Justiz… (ne, den verkneif ich mir jetzt)
Dann schreib ich nur: boah. Krass. Also hier, im Süden heißt das “im nächsten Jahr” (und damit meinen die Richter nicht etwa Januar)
7.November 2012 at 5:40 pm
Ach, du liebe Güte…
7.November 2012 at 6:08 pm
Aber lieber Herr Göhle – wir sind hier auch in der Bundeshauptstadt…
7.November 2012 at 6:08 pm
Da war aber kein Profi in Sachen Verzögerungstaktik am Werk. Das müsste besser gehen!
8.November 2012 at 2:48 pm
Oh, Ihr glücklichen Arbeitsrechtler!!!
Terminsanfrage an das Verwaltungsgericht im Februar- Antwort: “… kann ein Termin 2012 voraussichtlich frühestens im Oktober in Aussicht gestellt werden.”.
Besorgeter Anruf der Mandantin letzte Woche: “Könnte es sein, daß der Termin achon war, ohne uns?”